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Da Aloise

Es war während des Aufbaus. Ein September, wie der August oft war. Kein Altweibersommer. Sondern heiß war es!

Weil's gerade so passte, hatte ich etwas später Mittag gemacht und saß im "Arbeiterbiergarten" vom Augustiner. Die Nase in die Sonne hängen, ein Helles trinken und die Leute beobachten waren eins.

Das andere war der Loisl. Er war - vorsichtig geschätzte - 79 Jahre alt, braungebrannt, ein bisserl faltig um Augen und Ohren, aber dafür nicht auf's Maul gefallen. Ich hatte ihn schon im Herangehen beobachtet.

"Host a Feier?"

Eine halbvolle Bierflasche knallte auf den Tisch, und dieser nette, ältere Herr in Lederhose und mit Gambsbart auf dem Hut setzte sich mir gegenüber.

Ich zückte mein Feuerzeug. Er hielt mir das Ende eines kalten, schon mal angerauchten Zigarillos unter die Nase. Was für ein Duft.

"Loisl hoaß i. Und Du? Da is do no frei, oda?"

Schon saß der Loisl da, als ob er schon immer da gesessen hätte. Es stellte sich heraus, daß er Alois hieß und "nix vom Aloisius" hielt, weil der der Bayerischen Staatsregierung noch immer keine höheren Ratschläge gebracht hätte.

"Und aa nix von dene Politika. Weil, i kriag a Rente, ha, ha. 'Rente' nennans des. Arbeitst du da was?"

"In der Schützenfesthalle, Innendekoration. Das dritte Jahr jetzt."

"O mei, a jungs Bürscherl. Aber arbatn duast wenigstns was. Arbatn is wichtig." Er zog an seinem Zigarillostumpen und inhalierte tief und nachdenklich. Dann klopfte er die Asche ab, hustete kurz und trocken und nahm einen kräftigen Schluck aus der Flasche.

"Edelstoff is da beste. Wennst was anders trunkn hättst, hätt i mi ned da hergsetzt. Woaßt was ...?"

Er unterbrach sich und kratzte sich hinterm Ohr.

"Was?"

"Zoist a Halbe?"

"Logisch."

Während er sein Bier austrank, holte ich Nachschub.

"Wia hoaßt denn du überhaupt?"

"Woife!"

"Also, Woife: I hab ma was zamgspart. Zwoa Sparbüchl! Zwoa! Und jetzt hab i mei Oide zum Deifi ghaun, weils ma z' oid worn is, und jetzt hab i a Junge. Fünfafuchzge is die, und im Bett: Öha! Aber die will heiratn, ums Verreckn. De will erbn, aber dera zoag i scho no, wo da Bartl den Most hoit. Heiratn! Des Luada. Auf mei Geid is, des Luada. Heiratn! Aber ned mit mia, und von de Sparbüchl woaß aa nix. Aber der trau i ned übern Weg. I hab immer ois bei mir. De rennt ma a's Messer eini, wenns des seng dad. Aber dir zoag is, Woife, du bist o.k., du bist a Mannsbild, du arbatst, da schaug her ..."

Und der Loisl zog etwas Schriftliches aus der Tasche, es sah nicht gerade wie ein Sparbuch aus, doch es war irgendetwas Maschinengeschriebenes, auf einer zweimal gefalteten DIN-A-4-Seite.

"Zwoa Sparbüchl! Die kriagt nix, die Fotzn!", grummelte er und schob mir das Papier herüber. Es war ein Entlassungsschein aus der Psychiatrischen.

Ich faltete das Papier wieder sauber zusammen und gab es zurück. Er steckte es ein. Dann erzählte er von seiner ersten Frau. Vom Krieg. Von seiner zweiten Frau. Von den Kindern, die seine zweite Frau ihm weggenommen hätte. Ich erzählte von meinem Leben. Meinen Freunden. Meinen Freundinnen. Ab und zu holte ich Bier, ab und zu er. Es war ein schöner Nachmittag.

Als er ging, begann es zu regnen. Er sah nur einmal zurück. Doch dabei drehte er seinen Spazierstock wie Charley Chaplin.

Der Chef empfing mich mit einem Donnerwetter.

[ Romanauszüge ]
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