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Kennen Sie jemand beim Rundfunk?

Ich leider nicht. Außer den Lindenmayer, der meine Praktikantenarbeit beim BR bei der Vorstellung mit "super" kommentiert hat, das Ding hinterher aber leider nicht senden wollte. War ihm wohl zu gefährlich, es kam ein Song vor mit dem Text "power to the people". Lindenmayer hat übrigens Karriere gemacht, welchen Job er jetzt - hoffentlich ohne seine Zigarillos, die ihn ansonsten irgendwann sowieso umbringen werden - innehat, weiß jeder in der Branche.

Aber DAS werde ich dem Lindenmayer NIE vergessen: Da schicke ich ihm einen Text (damals für den "Zündfunk"), in dem es heißt "ihre klaren, blinden Augen", und er schreibt mir zurück, daß das wohl widersprüchlich sei. Ich hab ihm dann zurückgeschrieben, daß er sich mal mit Literatur und nicht nur mit seinen Zigarillos beschäftigen sollte, denn nach seiner Einschätzung müßte dann Celans "Todesfuge" ja auch widersprüchlich sein & daß er von Lyrik & überhaupt von nichts außer Zigarillos & überhaupt keine Ahnung habe. Deswegen hatte ich wohl beim BR eher schlechte Karten und er ist wohl wegen seiner mutigen Sendestrategie jetzt in seiner derzeitigen Position.

Das war vor 1987. Da schrieb ich folgenden Text:

Kennen Sie jemand beim Rundfunk?

Ich leider nicht. Trotzdem hatte ich die (im Rückblick nicht eben originelle) Idee, zwei auf den Hörfunk zugeschnittene Gedichtmanuskripte an diverse Abteilungen (kulturelles Wort/Literatur/Feuilleton/Jugendfunk) ebenso diverser Rundfunkanstalten zu versenden.

Warum gleich so viele, werden Sie (vielleicht) fragen. Nun, weil zum einen die Publikationschancen, ein reines Problem der Statistik, auch proportional zum investierten Porto steigen, zum anderen, weil die Rücklaufzeiten der Antworten nicht nur bei Verlagen, sondern auch beim Rundfunk erklecklich sind. (Natürlich abgesehen davon, Sie kennen jemand beim Rundfunk, oder umgekehrt, oder beides.)

Timeout: Ich habe mal ein Praktikum beim BR gemacht, und es sind drei Dinge, die mich da gestört haben:

  • Der Mann live vor der Kamera hatte zwar seriös ein Jackett an, aber weil er nur vom Bauchnabel aufwärts gefilmt wurde, hatte er unten eine Jogginghose an.
  • Der, den ich eigentlich bewundert hatte, sagte mir: "Wenn sie hier Karriere machen wollen, dann müssen sie das richtige Parteibuch haben!" Danach habe ich ihn nicht mehr bewundert, obwohl er fachlich 1A war ...
  • "Glauben sie nicht, sie könnten hier etwas erreichen ohne uns!"

    Time on.

    Standardabsagen, die vom SWF, SFB, WDR, NDR, DLF, von Radio Bremen, RIAS und der DW kamen, waren alle mehr oder weniger kurz, sachlich und standardisiert. Wobei sich bei den EDV-unterstützten, aber trotzdem persönlich erscheinen sollenden Absagen immer noch böse Schnitzer einschleichen.

    Diese Absagen bezeugen eindrucksvoll die Möglichkeiten, die unsere Sprache bietet, um ein- und dieselbe Tatsache vielfältig darzustellen.

    Es existierten folgende Varianten:

    "Leider sehen wir keine Möglichkeit, sie in unserem Programmbereich unterzubringen."

    "...befindet sich bis Ende August in Urlaub. Nach seiner Rückkehr werden Sie bestimmt von ihm hören."

    Na, an dieser Stelle muß sofort ein "Ha, ha, ha!" her ...

    "Wie können uns allerdings nicht entschließen, sie in unser Programm aufzunehmen."

    "... die wir jedoch nicht senden wollen."

    "... keine Möglichkeit haben, sie für eine Sendung einzusetzen."

    "... daß ich in absehbarer Zeit keine Möglichkeit sehe, sie in unserem Programm unterzubringen."

    "Leider erlaubt uns unsere Programmplanung derzeit keine Verwendung."

    Und so weiter usf.

    Was im Klartext für einen noch nicht etablierten Autor bedeutet:

    Horch, wie schallt es durch den Äther? "Senden später, später, später, doch zuerst: ein Buch, ein Preis, sonst kommst du aufs Abstellgleis! Doch wenn du bist ein sehr verwandter - vom Redakteur, auch Intendant-Er - dann senden wir den größten Mist, weil hier die Vetternwirtschaft ist!"

    Einem biblischen Gleichnis folgend fielen jedoch einige Samen - nein, nicht auf fruchtbaren Boden, aber zumindest nicht auf Stahlbeton, und so erhielt ich auch einige freundliche und ausführlichere Antworten.

    Der DRS bedauerte, keinen Gebrauch von den Manuskripten machen zu können, da ihm "ein geeignetes Sendegefäß fehlt". Obwohl ich postwendend einen Maßkrug ins Exil in die Schweiz schickte (Den benutzt jetzt eine freundliche Sekretärin stolz als Blumenvase.) blieb auch in diesem Falle der Erfolg versagt.

    Einer anderen Rundfunkanstalt mangelte es an einer "passenden Programmschiene" - ich liebäugelte kurz mit der Versendung einer ausgedienten Vorhangstange.

    Der hr vermittelte zwar freundlicherweise die Manuskripte an die passendste Adresse (Studio für Literatur), die zuständige Dame war aber unglücklicherweise gerade in Urlaub. Ich befolgte den teuren Rat, telefonisch rückzufragen, schickte ein zweites Manuskript als Ersatz für das verlorengegangene auf die Reise ins Nirgendwo und überlege noch heute, wie weit (und wie lange) man solche Spielchen treiben kann. Bis heute habe ich vom hr nichts mehr gehört, möchte ihn aber vor dem bitteren Schicksal bewahren, im Laufe der Jahre von der Unzahl meiner eingesandten, verlorengegangenen Manuskripte samt Sendeturm begraben zu werden.

    Eine interessante Variante, die Umkehrung von Ursache und Wirkung, ereignete sich beim SR Stuttgart. Von der Abteilung Feuilleton/Hörfunk erhielt ich die Manuskripte ("...leider habe ich keinen Zugang zu Ihren Texten finden können ..." , ich wollte schon fast eine Tür schicken) am 09.10.86 zurück, während mir die "Point"-Redaktion, an welche die Manuskripte gesendet wurden, am 30.10.86 schrieb: "...und habe sie deshalb an unsere Kollegen vom Südfunk 3 weitergegeben. Vielleicht haben diese für ihre Sendun `Circus Culturelli' Interesse ..." Sic: Sie hatten - obwohl Zirkus -nicht. Man fragt sich manchmal, welche Dödel auf den gutbezahlten Hörfunk-Redakteursposten sitzen. Vom Fernsehen ganz zu schweigen.

    Um kurz zum Schluß zu kommen: Nett reagierte der ORF (Landesstudio Wien sowie Landesstudio Oberösterreich):

    "..es tut mir leid, daß es in absehbarer Zeit keine Möglichkeit gibt, Ihre Gedichte ins Programm zu nehmen - von der Qualität her wären sie durchaus sendbar."

    "Da wir als Landesstudio vorwiegend bestrebt sind, in erster Linie den literarischen Arbeiten heimischer Autoren zur Verfügung zu stellen ... Zweifellos sind Ihre Arbeiten allerdings überdurchschnittlich." Na ja, es heißt zwar "Deutsche Sprache, schwere Sprache", aber den sprachlichen Lapsus kann man ja als Ösi-Bonus verrechnen.

    Wäre ich also besser als Österreicher geboren worden? Nein, denn die ausführlichste und einleuchtendste Ablehnungsbegründung kam vom: BR!

    Und bevor ich diese zum Abschluß zitiere, hätte ich, entschuldigen Sie bitte vielmals, noch eine Frage:

    Kennen Sie jemand beim Rundfunk? Oder jemand, der jemanden beim Rundfunk kennt?

    "Leider sind die Sendemöglichkeiten für Lyrik im Literaturprogramm des Bayerischen Rundfunks sehr begrenzt. Die sonntägliche Reihe `Miniaturen' ist hauptsächlich der Präsentation von Weltliteratur gewidmet. Das einzige Forum für neue deutsche Autoren wiederum, die `Literatur am Montagnachmittag', ist durch unseren Programmauftrag mit der Präsentation von Prosaneuerscheinungen sowie speziell bayerischen Autoren (Anmerkung des Autors: Ja bin ich denn keiner?) und der Wahrnehmung von Gedenktagen bereits so überbelegt, daß maximal vier Prozent der sehr zahlreichen Manuskriptangebote berücksichtigt werden können. Hier wiederum sind die Chancen für Gedichte ganz besonders schlecht, da die ohnehin seltenen Sendungen mit zeitgenössischen Lyrikern (durchschnittlich einmal im Vierteljahr) zur Wahrung eines kontinuierlichen Programmprofils von zyklisch zu planenden Themenschwerpunkten bestimmt sind."

    Kein Wunder, daß da später RR und das "Literarische Quartett" ins Fernsehen gehoben wurden.

    Schließlich mußte man auch da ein kontinuierliches Programmprofil nicht vor, sondern mit zyklisch zu planendem Quatsch wahren.

  • [ Satiren ]
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