Das etwas andere Literaturlexikon
Heute: Die Short story
Die Short story ist eine formal und inhaltlich weniger eng als die deutschsprachige Kurzgeschichte definierte Gattung amerikanischer und englischer Literatur, in der Satzungetüme, wie dieses hier, möglichst nicht auftauchen sollten.
Das ist fraglos kein Wunder, da die Amerikaner alles ohnehin nicht so eng sehen und die Deutschen schon von jeher eine Vorliebe für das Formale hatten. (So soll ja bekanntlich ein Deutscher den ersten Stempel mit dem Stempelzeichen "Stempel" erfunden haben, welcher erst Jahrzehnte später von einem Österreicher zu den Varianten "Schon gestempelt", "Bitte nicht stempeln" sowie "Warum soll ich das stempeln? Stemple es doch du!" weiterentwickelt wurde. Aber das ist eine andere Geschichte.)
Was genau die Engländer mit der Short story zu tun haben, ist den Literaturwissenschaftlern bis heute noch etwas unklar - vermutlich lautete die Urform der Short story "It's tea-time, Sir!".
Die kürzeste, jemals geschriebene Kurzgeschichte verfasste ein unbekannter Schriftsteller namens E., welcher sie nach dem Schreiben umgehend für den internationalen Kurzgeschichten-Preis einreichte - leider im Original. Diese Kurzgeschichte war so kurz, daß sie bedauernswerterweise im Lektorat des Wettbewerbs unter einen Tisch fiel und bis heute noch nicht wieder aufgefunden werden konnte.
Gerüchte besagen, daß die Short story nur deswegen zu so großer Berühmtheit gelangen konnte, weil man sie problemlos in der Zeit lesen kann, die im allgemeinen "Das Wort zum Sonntag" benötigt. E.A. Poe forderte, daß die Short story von einem besonderen, einzigartigen Effekt auszugehen habe, der die ganze Geschichte beherrschen müsse: dem Autorenhonorar! Dabei solle das Ungewöhnliche das Alltägliche erhellen. Heute verdunkelt allerdings meist das Alltägliche das Ungewöhnliche.
Im 20. Jahrhundert wurden - entgegen Poes Forderung - auch weniger spektakuläre Ereignisse in der Short story gestaltet. Die bekannteste Short story dieser Kategorie ist wohl "Ulysses" von James Joyce. Sie ist bei Kennern deswegen so beliebt, weil man sie nur ganz kurz in die Hand nimmt und dann schnell wieder weglegt, da die lächerlichen fünf Wochen Ferien pro Jahr gerade noch für den Klappentext reichen.
Wichtig ist bei der Short story auch die Technik der Gestaltung einer Atmosphäre, was einleuchtend ist, da der Mensch ohne Atmosphäre einige Schwierigkeiten hätte, überhaupt etwas zu lesen.
Die Short story - so versichern Fachleute - ist in der Regel kurz und bevorzugt die harte, realistische Darstellung, was sie angeblich mit dem Leben gemeinsam haben soll. Literaturkritiker warten allerdings noch heute vergeblich auf die Entdeckung der Middle story und der Long story. Die Love Story wurde dagegen schon erfunden, und ihr Erfinder mußte dafür teuer bezahlen: Er besitzt jetzt über vierhundertdreiundzwanzig Dutzend Taschentücher.
Die Nichtexistenz der Long story liegt vielleicht in dem Sprichwort "To make a long story short" begründet, obwohl zahlreiche Ehemänner glaubhaft versichern, ihre Ehefrauen beherrschten die konträre Kunstform "To make a short story long", vor allem beim Telefonieren, meisterhaft.
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